24 Stunden am Stück…


Wie kann man nur auf die Idee kommen 24 Stunden am Stück zu wandern… Das sollten wir uns, Dieter Neeser und ich, in den kommenden Stunden noch öfters fragen. Betrachten wir es doch mal so: Welch ein Luxus, sich eine Auszeit von 24h gönnen zu können, welch ein Luxus, im Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit unserer Körper und die Motivationsfähigkeiten des Wanderpartners zu setzen. Wir, Erich und Dieter, die wir an so manchen sportliche Herausforderungen als Teilnehmer dabei waren, wollten endlich mal selber ein „grosses Ding“ planen und anpacken. Im wissen, dass jeder Tag ein geschenkter Tag ist, wollten wir ein solcher mal bewusst und im Ganzen erleben.

Startort zu dieser Unternehmung war der Bernerhof in Gstaad. Thomas Frei unterstützte unsere Idee von Anfang an und für seine Gastfreundschaft möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Versehen mit genügend Kohlehydraten, Danke Thomas die Rösti auf der Terrasse vom Bernerhof ist genial, ging es bei herrlichem Wetter zügig via Saanen- Rougemont- Plan Prat- Richtung Chateau d’Oex immer der Saane entlang. Bei herrlichem Wetter läuft es sich dann auch leicht, mit vielen guten Gesprächen durchsetzt, der Saane entlang nach Saanen- Rougemont- Plan Prat- Richtung Chateau d’Oex. Hier gilt es eine erste Entscheidung zu fällen: Nehmen wir den Weg über La Braye oder direkt über den Col de Bas (1’850m). Wir stimmen in Euphorie für die letzte Variante und werden mit einem tollen Panorama, einem herrlichen Sonnenuntergang und Steinböcke in der Abenddämmerung belohnt! Dass uns ein solches Tier gar nachgepfiffen hat, haben wir unserer Schönheit (was man hat, bringt man einfach nicht mehr weg) zugeschrieben. Nie wären wir auf die Idee gekommen, dass es auch eine Warnung vom Abstieg nach Etivaz sein könnte….Kurz vor dem Passübergang wurde es definitiv dunkel und ab da ging es nur mit Stirnlampe weiter. Bei künstlichem Licht nach Wegmarkierungen zu suchen, kann schwierig sein, jedenfalls auf dem Col de Bas. Auf der Passhöhe angekommen, gab es die Wahl „links oder rechts“. Eigentlich wollten wir aber einfach nur runter. Mit dem App von GPS-Tracks, wurde der Einstieg zum Abstieg, inkl. Wegweiser, indessen rasch gefunden. Solch ein Abstieg (460 hm, über 1,6 km) , belastend für die Oberschenkelmuskulatur, im Licht der Stirnlampe und mit „Lobreden“ von Erich untermalt, muss man erlebt haben! Dann endlich, die Talsohle ist erreicht, der Mond, voll und rund, wird sichtbar und ein treuer Begleiter für die nächsten Stunden. Wir treffen kurz nach Mitternacht in Etivaz ein. Von wegen noch offener Beiz, die Gäststätte in Etivaz hat schon geschlossen.

Kleiner Lunch aus dem Rucksack und ran an den nächsten Aufstieg. Dass Erich hier noch den Fotoapparat hat liegen lassen, merken wir erst später. Nun geht uns noch, zu allem Überfluss,  langsam das Trinkwasser aus. Wir ziehen munter an Brunnenstuben vorbei, diese sind aber mit massiven Schlösser gesichert. So trinken wir notgedrungen aus kleinen Bächen und sind uns der Risiken bewusst. Auch dieses Vergehen, oder sind es bloss Gedanken vor schädlichen Viren und Bakterien, steckt der Körper weg und wir kämpfen mit dem Aufstieg zum Col d’Isenau. Endlich, der Pass ist erreicht, ein zarter Schleier am Horizont bringt Licht in die Dunkelheit. Ausser dass Erich mir (Dieter) das „iPhone-Gipfelfoto“ versaut hat, er feststellen durfte, dass seine Kamera immer noch in Etivaz und es saukalt war, gab es nichts sensationelles zu berichten. Ein zarter Schleier am Horizont bringt Licht in die Dunkelheit. Vor unseren Füssen liegt der Arnensee, pardon  Lac d’Arnon, im Morgenlicht, und auch Nichtfischer, Ausnahme Erich,  sehen (auch aus dieser Höhe!) die zahlreichen Ringen von nach Mücken steigenden Forellen! Herz, was willst Du mehr! Doch dann verpufft die Energie des neuen Tages schnell, endlos erscheint der Abstieg nach. Feutersoey. Was heisst hier Abstieg (Erich hat mal in einem Routenbeschrieb darüber gelesen  ….am Anfang verläuft der Abstieg eher steil über hohe Stufen und ist von Wasserrinnen durchzogen, doch bald wird er zum schönen Weg am Berghang zwischen Blumen und Schmetterlingen, der sanft in Richtung Retaud abfällt…), der Weg steigt immer leicht an und in keiner Alphütte bekommen wir Kaffee. Dieter schläft fast ein und hat auch sonst eine Formkrise und Erich stösst immer wieder Morddrohungen gegen die Rindviecher aus, die solch zertrampelte und versch….ene Wege hinterlassen haben!Morgens um 09:00 Uhr in Feutersoey Kaffee zu bekommen hat sich als schwierig herausgestellt. Eine Beiz war geschlossen, eine öffnet erst um 09:30 Uhr. Dazu flatterte, via Twitter, die verlockende Mitteilung vom @cigarman rein, dass der Bernerhof offen wäre und wir allenfalls abgeholt werden könnten. Die Erlösung in Form von Kaffee und Gipfeli (in grooossen Mengen) kam noch rechtzeitig ;-)Uns soll es recht sein, frisch gestärkt erobern wir die Wispile, auch wenn die Müdigkeit unsere Objektivität zwischenzeitlich etwas verzehrt hat: Dieter erzählt immer von kommenden flachen Zwischenstücken, Erich kann diese nirgendwo ausmachen und findet selbst kleine Abstiege (als wenn es denn solche geben würde) als zu steil! Kurz, die Alphütte auf der Wispile hat uns, bei Hobelkäse und Rivella, den Seelenfrieden gerettet!.

Anschliessend die absolute Krönung des Tages: Der direkte Abstieg nach Lauenen. Das war kein Abstieg, das war ein freier Fall ( 400 hm auf 1,5km verteilt). Die brennenden Oberschenkel und rund 22 Stunden in den Beinen, führten zu kezerischen Gedanken, wie etwa dem Sinn dieser ganzen Unternehmung. Zur Vertiefung dieser Frage hatten wir dann von Lauenen bis Gstaad nochmals 2 Stunden Zeit. Gut, dass das Gehirn mittlerweilen so langsam arbeitet und wir daher keine vorgängige und bestimmt falsche Schlüsse ziehen konnten…! Dann, endlich, Gstaad ist erreicht. Wir sind mit kurzen Schritten unterwegs, aber auch nach 63km und 3000hm allemal schneller als all die Russen, Franzosen und anderer Hight Sozialen. Auf der Promenade hat uns übrigens keiner (oder keine?) mehr nachgepfiffen. Wahrscheinlich haben wir für einen kurzen Augenblick „alt“ ausgesehen. „Klick“, der Kofferraum öffnet sich und das Auto gibt Köstlichkeiten wie Getränke und frische Kleider frei. Wir sind wieder in einer Welt der Fülle, des Überflusses. Möge die Achtsamkeit für solche Dinge aber noch lange anhalten.

Unser persönliches Fazit: Eine tolle Herausforderung an Körper und Geist, aber auch an die Kameradschaft. Untermalt von gewaltigen Natureindrücken, verbunden mit Momente der Stille und der Selbstfindung. In der durchlebten Form aber unglaublich hart (härter als ein herkömmlicher Bike-Marathon). Wir, Erich und Dieter ziehen den Hut vor uns und vor einander und werden, süchtig und erwacht, weiterhin solche Herausforderungen suchen. Hier haben wir gelernt, auf Schutz und Führung zu vertrauen, uns von persönlichen Ängsten zu verabschieden. Haben gelernt, dass wir das sind, was wir fühlen, haben erfahren, wie wunderbar sich dabei die „innere Freiheit“ anfühlt.

 Lieber Bernerhof in Gstaad, wir kommen bereits im nächsten Jahr wieder! Als Gäste und Organisatoren und mit, gegenüber dem normalen Bürger, etwas „ver-rückten“ Ideen!

Autor: erichvonallmen

age is just a number ...

9 Kommentare zu „24 Stunden am Stück…“

  1. Meinen allergrößten Respekt, mir fehlen für eure Leistung die Worte. Ein sehr schöner absolut interessanter Bericht, mit dem du dir sehr viel Mühe gegeben hast. Echt eine mega Leistung.

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  2. gratuliere! lieben gruss auch an dieter neeser – mein langjährigen jugendtrainer beim nsk thun! ewig her! so liest man sich wieder 🙂

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  3. Ein spannender, schöner Bericht. Und definitiv nicht nur wegen der 24h eine Herausforderung. In der Nacht im Gebirge ist bestimmt kein Kindergeburtstag. 😉

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